Anlegen einer "Wildwiese"

Begonnen von Berthold, 15.Jun.13 um 15:37 Uhr

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Berthold

In diesem Thread sollen einige Gesichtspunkte gesammelt werden, die bei dem Anlegen einer Wildwiese zu berücksichtigen sind.


Zunächst ist der Ausganszustand beim Anlegen der Wildwiese von entscheidender Bedeutung. Hierfür ist ein gut gedüngtes Gemüsebeet mit "gutem" schwarzem Mutterboden bis hin zu einem Ruderalflecken mit extrem nährstoffarmen gut drainiertem Schotter-Boden in voller Sonnenlage denkbar.
Zwischen diesen beiden Extremen liegt meist der reale Ausgangsfall.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Das angestrebte Ziel bei dem Anlegen einer Wildwiese ist meist das langfristige Zusammenleben einer möglichst grossen Artenanzahl von Pflanzen in einem stabilen Gleichgewicht.

Dieses Ziel ist nur zu erreichen auf einem nährstoffarmen Boden. Bei hohem Nährstoffgehalt setzen sich schnell bestimmte Arten durch, die Nährstoffe rasch in Pflanzenmassen umsetzen können und dadurch alles um sich herum überwachsen können. Typisch hierfür sind Brennnesseln und die sogenannte Viehlager-Vegetation, wie man sie auf den Almwiesen findet.

Deshalb ist der erste Schritt bei Anlegen einer Wildwiese, den Nährstoffgehalt des Bodens zu reduzieren (falls er wie meistens zu hoch ist).

Ausgangslage hier war bei einer Wiese ein anmooriger feuchter und leicht saurer Boden, der früher auch zum Gemüseanbau gedient hatte und daher gedüngt würde. In den letzten 10 Jahren war er nur mit Grass bewachsen und wurde einmal jährlich geschnitten.

Wir haben nach Übernahme den Boden stark aufgekälkt, 3 mal jährlich geschnitten und die Biomasse weggeräumt.
Durch den hohen Kalkgehalt sind viel Pflanzen in der Lage, die im Boden vorhandenen Nährstoffe besser aufzunehmen.
Der Effekt ist bekannt als "Ausmergeln". Mergel besitzt einen hohen Kalkanteil.



Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ralfus

Zum Thema "Aushagerung" wurde schon viel geforscht, nur die Ergebnisse waren ernüchternd. Ich erinnere mich an eine Arbeit aus Baden-Württemberg, in der über 10 Jahre Wiesen mit verschiedenen Methoden bewirtschaftet und die Veränderung der Artenzusammensetzung dokumentiert wurden. Damals ging es um die EU-Bracheflächen, die man pflegearm, aber mit möglichst hohem Wert für den Naturschutz entwickeln wollte. Man experimentierte mit einseitigen Stickstoffgaben, mit Abbrennen, mit Schnitthäufigkeiten und mit dem Liegenlassen des Schnittguts nach ausgewählten Schnitten. Den besten Erfolg, der allerdings sehr strittig diskutiert wurde, hatte eine zweischürige Mahd, bei der das Schnittgut des ersten Schnittes liegen blieb. Durch die vorhandene Zellulose des Schnittguts fand eine Nährstoffbindung statt. Die Nährstoffe wurden, zumindest im Untersuchungszeitraum, nicht wieder 1: 1 verfügbar. Das Schnittgut wurde unter den subatlantischen Klimabedingungen von Baden-Württemberg bis zum Herbst so gut zersetzt, dass Herbstkeimer keine Probleme hatten. Ob das in den subkontinentalen Bereichen ebenso funktioniert, weiß ich nicht, glaub ich auch nicht.

Gruß Ralf

Berthold

#3
Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass man einen Boden besser abmagern kann als durch regelmässiges Wegschaffen der gewachsenen Biomasse, d. h. zweimalige Mahd im Jahr.
Die an die Zellulose gebundenen Nährstoffe müssen doch wieder freigesetzt werden, denn die Zellulose verschwindet doch durch Zersetzung vollständig.

Vielleicht hilft noch auswaschen durch Verlegung einer Drainage und langfristiges Bewässern, aber das ist meist nur eine theoretische Möglichkeit.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Es könnte aber sein, dass der Stickstoff nach dem beschriebenen Verfahren letztlich als gasförmiger Stickstoff in die Atmosphäre entweicht.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Ahriman

Aber Denitrifkation zu N2 läuft nur anaerob also bevorzugt in nassen sauerstoffarmen Böden, Sümpfen oder Seen ab. In der Landwirtschaft kommt es dabei übrigens auch immer zur Freisetzung von N2O wenn im Boden ein Stickstoffüberschuss herrscht, einem starken Treibhausgas.
Wir haben auf der Uni das mal für den Einsatz in Kläranlagen untersucht. Denitrifikationsreaktoren kann man auch im Aquarium einsetzen um Nitrat loszuwerden aber das Regulieren des Redoxpotentials / füttern der Bakterien mit Methanol ist nicht trivial und wenn was schiefgeht sind die Fische mausetot.

Ich habe ja auch mit einer recht überdüngten artenarmen Wiese zu kämpfen, letztes Jahr habe ich 2x gemäht und das Schnittgut entfernt. be 1/2ha ist das ohne landwirtschaftliche Maschinen und nur mit PKW zum Abtransport schon an der Grenze des Machbaren.
Ich habe nach der Mahd stellenweise mit der Motorhacke umzugraben (je ca 100m2) und als Bodendecker Gelbsenf oder Phazelia ausgesät. Das gibt im Sommer eine gute Bienenweide und ich denke diese Pflanzen binden mehr Nährstoffe als Gras. Die werden dann im Herbst 'geerntet' und entfernt, dann werde ich nochmals umgraben und Wiesenblumen aussäen. Ist einen Versuch wert und ich denke es ändert die Artengemeinschaft rascher. Gegen dominante Gräser wie Quecke kann sich kaum etwas anderes durchsetzen.

Berthold

Zitat von: Ahriman am 31.Mai.16 um 15:34 Uhr
füttern der Bakterien mit Methanol ist nicht trivial und wenn was schief geht sind die Fische mausetot.

Deshalb wird in der Trinkwasseraufbereitung auch nicht Methanol sondern Ethanol eingesetzt, dennoch ist die stabile Kulturführung der Bakterien schwierig.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Wildwiese gibt es inzwischen auch als Rollrasen. Das sollte das Anlegen dramatisch
vereinfachen.
Der Rollrasen enthält z. B. auch Klappertopf und eine Reihe Blütenpflanzen.

Die Wildwiese ist damit auch relativ einfach auf dem Schotter des Vorgartens anzulegen. :thumb
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)